Die Macht Hollywoods

Die Macht Hollywoods: Wenn Action-Blockbuster die Massen beeinflussen

Mediasteak | 19. Oktober 2019

Was soll ein Film tun? Nun, primär soll er Einspielergebnisse produzieren, die ein möglichst Vielfaches der Produktionskosten betragen. Wenn er dann noch eine Filmreihe begründet oder erfolgreich fortführt, umso besser. Doch manchmal tun Filme sehr viel mehr und vor allem jenseits der Kinosäle. Das bekam Jimmy Lile 1982 zu spüren: Vor dem 22. Oktober dieses Jahres war er ein zwar szene- aber sicherlich nicht breitenbekannter Messermacher aus dem US-Bundesstaat Arkansas. Doch schon am nächsten Tag stand sein Telefon nicht mehr still und er bekam in den folgenden Wochen und Monaten mehr Anfragen als jemals zuvor. Was passiert war? Lile hatte das Messer für den ersten Teil der Rambo-Saga designt.

Die Macht Hollywoods

Und nachdem Stallones nicht totzukriegender Parade-Charakter sich im ersten Teil auch damit leinwandgewaltig gegen den sadistischen Sheriff zur Wehr gesetzt hatte, wollte plötzlich jeder den stählernen Tausendsassa mit Sägerücken-Klinge und Hohlgriff für Survival-Krimskrams haben. Als Lile drei Jahre später auch noch den zweiten Rambo mit einer ähnlich aussehenden Klingen-Kreation versorgte, wusste wirklich jedes Kind, wie ein anständiges „Rambomesser“ auszusehen hat – und tausende Firmen folgten mit ähnlichen Designs.

Doch Rambo war nur ein Film, der das vermochte. Für den folgenden Artikel haben wir noch einige weitere Momente der Actionfilmgeschichte angehalten, die Ähnliches schafften.

1. Top Gun

“I feel the Need – the Need for Speed”. Was in der deutschen Vertonung in einem hervorragend sinngemäßen „Ich spür die Gier… die Gier… nach Tempo in mir“ übersetzt wurde, wurde von sehr vielen Kinobesitzern mehr als wörtlich genommen.

Denn nimmt man bei Tom Cruise‘ 1986er Kassenknaller mal die Liebesgeschichte weg und radiert die ganzen Macho-Sprüche aus, dann war und ist Top Gun eines: Flugzeugpornografie in Reinform. Kein Wunder, die US Marine (Navy) hatte der Filmproduktion tonnenweise Unterstützung zwischen Drehgenehmigungen auf Flugzeugträgern und massenhaften Einsatzes des eigentlichen Filmstars zugebilligt: Der Grumman F-14 Tomcat.

Das knapp 2500km/h schnelle Schwenkflügel-Geschoss war mehr als nur ein Vehikel, um die Story der testosteronschwangeren Elite-Jagdpiloten zu transportieren. Dazu waren allein schon die ganzen Flugaufnahmen viel zu ästhetisch gehalten – und dann noch Highway to the Danger Zone im Hintergrund, während die Tomcats stichflammengewaltig vom Flugzeugträger katapultiert wurden… Take my Breath away!

Natürlich war das pures Kalkül: Die Öffentlichkeitsarbeit der Marine wusste sehr genau, was bei einem jungen Publikum ankam. Und nicht wenige sagen heute noch, dass Top Gun der beste Navy-Rekrutierungsfilm aller Zeiten gewesen sei, so viele Leute meldeten sich danach freiwillig, um auch zum Tomcat-Piloten zu werden.

Ein wenig half die Navy noch nach, indem sie jedem Unterschreibenden eine Kopie der Aufnäher-verzierten Maverick-Fliegerjacke aushändigte. Selbst die andere fliegende Teilstreitkraft der USA, die Air Force, bekam noch ihren Teil des Rekrutierungskuchens ab. Mission Accomplished – auch wenn die renommierte TIME später im Jahr titelte „The Pentagon goes Hollywood“. Ob der neue Top Gun (ja, richtig gelesen) einen ähnlichen Erfolg haben wird?

2. Casino Royale

Dass sich jeder Bartender zwischen New York City und Yokohama auf verstärkte Bestellungen von geschüttelt-nicht-gerührten Wodka-Martinis einstellen muss, wenn ein neuer James Bond in die Kinos kommt, ist mittlerweile Usus – immerhin hat Her Majesty’s Vorzeige-Agent schon 24 Kinofilme und 132 Bücher auf dem Rücken, hat dementsprechend schon viele davon gekippt und ist laut einer britischen Studie darüber zum Alkoholiker geworden.

Was sich aber seit 2006 erst zeigt, ist etwas anderes. Damals kam Casino Royale in die Kinos. Eine Neuverfilmung, der 1954 ein Fernsehfilm vorausgegangen war. Und obwohl Bond, erstmalig von Daniel Craig verkörpert, in diesem Teil nicht ebenso erstmalig an einem Casinotisch Platz nahm, war die Reaktion des Publikums doch eine andere. Denn zwischenzeitlich war das Internet zum globalen Phänomen geworden.

Im Film pokerte Bond sich gegen den Bösewicht Le Chiffre beinahe um Kopf und Kragen – und jenseits der Kinosäle erlebten echte und vor allem virtuelle Casinos sofort eine sprunghafte Zunahme der Kunden, die ebenfalls Texas Hold ´em spielen wollten. Als es den Doppelnull-Agenten in Skyfall abermals in ein Casino verschlägt, wieder das Gleiche. Seitdem steigen in schöner Regelmäßigkeit mit jedem Bond-Rerun, jeder Bond-Ankündigung wieder die Zahlen derer, die sich tiefer in die Materie des Spiels einlesen und selbst zocken wollen. Und obwohl über No Time to die, der 2020 rauskommt, noch nicht viel in Sachen Handlung bekannt ist, dürfte sich an diesem Automatismus nichts mehr ändern.

3. The Fast and the Furious

24 Kinofilme in 53 Jahren mögen üppig wirken – aber die Fast-and-Furious-Reihe hat es mit acht in 18 Jahren auf eine Bond-ähnliche Quote gebracht.

Allerdings hatte keiner davon den Impakt, den der erste Teil hatte: Mitsubishi Eclipse, Mazda RX-7, Toyota Supra und einige weitere Fahrzeuge aus dem Land der aufgehenden Sonne waren nicht nur die heimlichen Stars dieses Filmes, der es sogar schaffte, noch ein absolutes Biedermeier-Auto wie den VW Jetta, also ein Stufenheck-Golf, zum Aufkleber- und PS-gewaltigen Leinwandboliden zu machen.

Doch genau darüber hat die eigentlich weit weniger hochfrisierte Story etwas geschafft, was damals vor allem in Deutschland seit den frühen 90ern schwer in Verruf war: Sie brachte Autotuning wieder in die Mitte der Gesellschaft. Und das war für die Industrie der Gewindefahrwerke, Spoiler und Tuning-Luftfilter auch bitter nötig. Nachdem sie in den 1980ern mit aus heutiger Sicht fragwürdigen Umbaumaßnahmen Höhenflug um Höhenflug gefeiert hatte, hatten Manta – der Film und Manta, Manta nicht nur den Ruf von Opels Sportcoupe, sondern auch den des Tunings arg ramponiert.

Dementsprechend sah die Szene um den Jahrtausendwechsel ziemlich traurig aus. Zumindest bis Dominic Toretto sowie Brian Earl Spilner („klingt wie der Name eines Serienmörders“) auf die Leinwand kamen. Plötzlich war „tief, tiefer, am tiefsten“ wieder trendy und den Gegenwert eines Monatsgehalts in Schweller und Schürzen zu investieren völlig okay. Selbst Games wie Need for Speed: Underground hätten es ohne die Fast-and-Furious-Vorarbeit nie zu einem solchen Erfolg gebracht.

Allerdings: Die Polizei ächzte. Denn mit der neuerwachten Tuning-Manie kamen die Straßenrennen und abertausende Delikte von nicht-eingetragenen Teilen und Umbaumaßnahmen.

4. Saturday night Fever

Bei Top Gun leistete die Übersetzungsregie Höchstleistungen. Neun Jahre zuvor hatte sie bei Saturday Night Fever jedoch ziemlich versagt. „Nur Samstag Nacht“ hieß das hierzulande, was global gesehen die quietschigen Stimmen der Bee Gees im Speziellen und den Disco Sound der ausgehenden 1970er im Allgemeinen in die Stratosphäre katapultierte – kein Wunder, war es doch der erste Film, bei dem der Soundtrack von Anfang an ähnlich aufwendig komponiert und beworben wurde wie der Streifen selbst.

Ja, natürlich, Saturday Night Fever machte Disco ganz groß – vor allem jenseits seiner großen Hot Spots in den US-Großstädten. Doch was der eigentlich ziemlich sozialkritische, von den Jugendschützern später jedoch regelrecht kaputtgeschnittene Film vor allem tat, war, das Tanzen und vor allem Filme darüber wieder populär zu machen.

Tanzen wieder popularisieren? Ganz recht. Denn seit den Beatles waren gut und gerne zehn Jahre Rockmusik vergangen, in denen weit weniger (komplex) getanzt worden war als in allen Musik-Jahrzehnten zuvor. Saturday Night Fever sorgte für großen Reibach bei den Tanzschulen, wo Hunderttausende so das Bein schwingen wollten, wie John Travolta, Karen Lynn Gorney und Donna Pescow und machte so manche Hersteller von Kunstfaser-Anzügen steinreich.

Und auch die Filmbranche der danach kommenden zehn, fünfzehn Jahre kann dem Film eigentlich nicht genug danken. Denn er triggerte die ganz große Welle der 80s-Tanzfilme zwischen Flashdance, Footloose und Dirty Dancing.

5. Rambo (First Blood)

Für den letzten Punkt dieses Artikels kehren wir zum Eingangstext zurück. Rambo 1 hatte das Überlebensmesser zum Kassenerfolg gemacht. Doch mehr noch. Denn auch wenn das, was Stallone in Teil-1 und noch weniger Teil-2 oder -3 tat, sonderlich viel mit Wildnis-Überleben zu tun hat, schoss danach der Survival-Trend noch schneller durch die Decke als Rambo seinen Bogen spannen konnte.

Zelte, Kleidung, Bücher, Nahrungskonzentrate, Bestecke – bei wirklich allem, auf das man die magischen Buchstaben Survival drucken konnte, griffen die Heerscharen zu. Sie räumten die Lager für alte Militärbestände ebenso leer wie sie Campingausrüstern die Kassen füllten, die schlau genug waren, schnöde Campingkocher zu Survival-Kochern umzuetikettieren.

Selbst YPS- und Mickymaus-Hefte kamen nicht mehr ohne entsprechende Survival-Tools für die Nachwuchs-Überlebenskämpfer. Doch ebenso plötzlich, wie er gekommen war, endete der Trend zusammen mit den 80ern.

Bildquelle: Pixabay.com © skeeze

Kategorien: Behind The Scenes

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